Bei der Beurteilung einer UFO-Sichtung wird bzgl. der Zeugen primär über die Glauibwürdigkeit argumentiert, wobei das Problem bei Untersuchungen von UFO-Sichtungsberichten ist, dass wir in der Regel den Zeugen nicht näher kennen und eine individuelle Prüfung der Glaubwürdigkeit bzw. Glaubhaftigkeit der Aussage auch mangels Ressourcen nur bedingt durchführen können. Vorrangig stellt sich jedoch die Frage nach der Zuverlässigkeit der Zeugenaussage und den berichteten Details einer Beobachtung. Manche UFO-Forscher bzw. Ufologen sind hier der Ansicht, dass der Beruf ein wichtiger Faktor bei der Beurteilung sei und schätzen die Zuverlässigkeit eines Menschen als Zeugen auch nach seinem Status ein. Demnach wären bspw. Hochschulausbildung und eine entsprechende berufliche Stellung ein Plus an Zuverlässigkeit, so bspw. auch bei Piloten. Das zeigt sich insbesondere bei Forschen, die sich auf Fallkataloge bestimmter Berufsgruppen konzentrieren und diese hervorheben. Allerdings beruhen solche Annahmen weitgehend auf Vermutungen. Erkenntnisse aus der forensischen Zeugen- und Aussagepsychologie zeigen dagegen die prinzipielle Unzuverlässigkeit von Zeugenaussagen, unabhängig von Beruf oder Qualifikation. Eine Nebenrolle spielt das bei Sichtungsberichten mit ausreichenden Indizien für eine herkömmliche Erklärung, im gegensatz bei ungeklärten Sichtungen infolge der geschilderten Details. Der britische UFO-Forscher Isaac Koi hat auf seiner Webseite dem Thema "Glaubwürdige Zeugen" ein eigenes Kapitel gewidmet, auf das wir uns hier auszugsweise und sinngemäß beziehen.

    Der Mythos des besonders zuverlässigen Zeugen beschreibt Personen, die sich aufgrund ihres Berufs oder ihrer Ausbildung wahrscheinlich nicht irren, egal was sie berichten. In der Regel werden hier Wissenschaftler, Polizisten, Piloten, Astronomen oder Militärangehörige genannt, und es wird davon ausgegangen, dass ihre Berichte zuverlässiger sind als die anderer Berufsgruppen. Aus einer allgemeinen Sicht erscheint dies sogar verständlich und vor Gericht dürfte bei einer Zeugenaussage die berufliche Qualifikation bzw. Reputation sicherlich mit in die richterliche Beurteilung einfließen. Wir gehen im Allgemeinen davon aus, dass hochbezahlte Fachkräfte weniger dazu neigen, Unwahrheiten zu sagen als andere. Wir erwarten auch, dass Angehörige bestimmter Berufe aufgrund ihrer Ausbildung (z. B. in Bezug auf die Beobachtung oder das Erstellen von Notizen bei Polizisten, Kenntnis von Himmelsobjekten bei Astronomen) oder aufgrund von Qualifikationen, die für den Eintritt in diesen Beruf erforderlich sind (z. B. besondere Sehkraft), bessere Zeugen seien.Tatsächlich gibt es aber in der ufologischen Literatur einen bemerkenswerten Mangel an Studien und Diskussionen darüber, warum bestimmte Berufe oder Qualifikationen eine Person wahrscheinlich zu einem besseren UFO-Zeugen machen. Der amerikanische UFO-Forscher Allan Hendry hat dazu kritisiert, dass keine direkten Experimente von Ufologen durchgeführt wurden. An dieser Stelle möchten wir auf ein tatsächlich durchgeführtes, interessantes allgemeines Wahrnehmungsexperiment unter Federführung der GEP im Jahr 1988 hinweisen. Ansonsten ist der Grad der Zuverlässigkeit auch immer situativ zu bewerten, in welcher Situation befand sich der Zeuge zum Zeitpunkt der Beobachtung, befand er sich unter Stress, war er allein oder mit anderen Zeugen zusammen, die sich ggf. auch gegenseitig beeinflussen können, wie lange ist die Beobachtung her, da sich Erinnerungen fortlaufend verändern und sich das Gedächtnis aufgrund von veränderten Erfahrungen, Kenntnissen und zusätzlichen Informationen immer wieder rekonfoguriert, oder hat der Zeuge spezifische Überzeugungen oder Erfahrungen, die zu einer bestimmten Interpretation des Gesehenen führen und seine Wahrnehmung beeinflussen.

    Der amerikanische Astronom und UFO-Forscher J. Allen Hynek hat im Rahmen seiner Beteiligung am Projekt Blue Book eine Auswertung zu Berufsgruppen bei Fehlinterpretationen erstellt. Zu seiner eigenen Überraschung lieferten Piloten die häufigsten Fehlinterpretationen. Am besten schnitten hier Techniker bzw. Ingenieure ab. In einer weiteren, von Hendry erstellten, Auswertung lieferten Polizisten (bzw. Mitarbeiter von Strafverfolgungsbehörden) die meisten Fehlinterpretationen. Piloten schnitten hier am besten ab, allerdings mit einer noch relativ hohen Fehlerquote von 75%, was nach Hendry auch kein Aushängeschild sei. Hynek stellt dazu fest, dass man berufliche Qualifikationen und Fähigkeiten nicht auf ein anderes Gebiet übertragen könne. Das bedeutet aber nicht, dass bspw. Piloten schlechte Beobachter sind, aber Menschen aller Berufsguppen sind anfällig für Fehlwahrnehmung und -interpretation, wenn sie mit etwas konfrontiert werden, das sie nicht kennen und mit dem sie nicht vertraut sind.
    Der britische Untersucher Gary Anthony verweist auf einen Artikel mit dem Titel "Visuell-räumliche Fähigkeiten von Piloten", das sich auf gemeinsame Experimente von Piloten der US-Luftwaffe und Kontrollpersonen bezieht und wonach Piloten überwiegend nicht besser abschnitten als Nicht-Piloten. ("Visual-Spatial Abilities Of Pilots" aus dem Journal of Applied Psychology, 1993, Vol 78, Nr. 5, (S. 763-773)). In einem Artikel von Dr. Robert Buckhout, Direktor des "Center for Responsive Psychology" am Brooklyn College der City University in New York, heißt es: "Untersuchungen, die ich mit Flugbesatzungen der Luftwaffe durchgeführt habe, bestätigen, dass auch hochqualifizierte Personen unter Stress zu schlechteren Beobachtern werden." (Robert Buckout, "Eyewitness Testimony", Scientific American, Dezember 1974, S. 23.). Ein prinzipielles Problem dürfte auch sein, relevante visuelle Merkmale von einem Flugzeug aus zu beurteilen, aufgrund der Verringerung der visuellen Referenzen in der Luft (z. B. auf andere Objekte in der Nähe, mit denen Vergleiche durchgeführt werden können). Fälle aus der Vergangenheit zeigen zudem, dass es seitens Piloten bereits zu Mißverständnissen und Fehlinterpretationen bei der Beobachtung herkömmlicher Erscheinungen kam, wie bspw. mit Venus, Meteore oder auch Polarlichtern.

    Die unterschiedlichen Ergebnisse zeigen auch die Schwierigkeit, die Zuverlässigkeit an Berufsgruppen festmachen zu wollen. Wenngleich die genannten Auswertungen auch der Kritik unterliegen und diskutiert werden, halten wir die Grundaussage daraus als gültig. Die nachfolgend dargestellten Auswertungen erschienen in Hyneks UFO Report und Hendrys UFO Handbook.

    Abschließend möchte wir dazu Isaac Koi aus seinen Ausführungen zitieren:

    "Die spärliche Erhebung und Berücksichtigung relevanter objektiver Daten erschwert es (...), eindeutige Schlussfolgerungen zu ziehen. Zusammenfassend scheint mir, dass die berufliche Tätigkeit der Zeugen von den meisten Ufologen als Kriterium für die Auswahl der besten UFO-Fälle erheblich überbewertet wird. Die Beweise belegen nicht überzeugend, dass beispielsweise Piloten oder Polizisten weniger IFOs melden als andere Zeugen. Wenn man jedoch überlegt, ob die Mitglieder bestimmter Berufe im Allgemeinen 'bessere' Beweise liefern als der durchschnittliche UFO-Zeuge, stellt sich die Frage: 'Besser' als was? Wenn es darum geht, Astronomen und andere Wissenschaftler davon zu überzeugen, die UFO-Sichtungen von Wissenschaftlern und Astronomen ernst zu nehmen, ist es möglicherweise wertvoller, ihnen Einzelheiten zu solchen UFO-Sichtungen zu präsentieren, als dies allein aufgrund ihres vermeintlichen Beweiswerts nahegelegt wird. Letztendlich sind Wissenschaftler nur Menschen und legen daher möglicherweise einen überhöhten Wert auf ihre Wahrnehmungsfähigkeiten und die ihrer Kollegen. Wenn Ufologen wollen (was viele erklären), dass Wissenschaftler sich mit Ufologie befassen, dann scheinen Zusammenstellungen von Sichtungen von Wissenschaftlern und Astronomen ein nützliches Werkzeug für ufologische Befürworter zu sein. Leider waren Zusammenstellungen solcher Sichtungen tendenziel weniger beliebt als Datenbanken mit Sichtungen von Piloten und Polizeibeamten."

    Nicht zu verwechseln mit der Zuverlässigkeit ist die Glaubwürdigkeit, also die Frage eines bewussten Schwindels, die in den wenigsten Fällen eine Rolle spielt, abgesehen vielleicht bei vermeintlich sensationellen Fotos oder Videos, wo Fakes durch die digitalen Möglichkeiten zunehmen. Wenn die Zuverlässigkeit diskutiert oder kritisiert wird, dann nicht, weil man an der Glaubwürdigkeit des Zeugen an sich zweifelt.

    Spezielle (Berufsgruppen-)Reportingsysteme für UFO-/UAP-Sichtungen

    Im Zuge der vermeintlich höheren Zuverlässigkeit bestimmter Berufsgruppen ist es wenig überraschend, dass es auch spezielle Reportingsysteme gibt, in denen Angehörige dieser Berufsgruppen eigene Beobachtungen erfassen können, die dann in einer Datenbank gesammelt werden. Betreiber solche Datenbanken sehen die darüber gesammelten Berichte gerne als beste Beweise für einen anomalen, vorzugsweisen extraterrestrischen, Hintergrund des UFO-Phänomens. Leider ist oft unklar, inwieweit bei den gesammelten Berichten eine Untersuchung stattgefunden hat oder ob die Berichte lediglich gesammelt werden. Da teilweise auch anonym Berichte abgegeben werden, können hier die prinzipiell wichtigen Zeugenbefragungen, auch zur Klärung offener Fragen, nicht durchgeführt werden. Die Systeme bieten teilweise auch Auszüge aus den erfassten Berichten, so dass man sich auch eine eigene Meinung darüber bilden kann.

    Die bekannteste Datenbank dürfte das vom amerikanischen UFO-Forscher Richard F. Haines gegründete "National Aviation Reporting Center on Anomalous Phenomena" (NARCAP) sein, von dem es auch einen deutschen Ableger gibt, der derzeit allerdings nicht online ist. NARCAP wendet sich an Piloten und Flugpersonal, die hier Beobachtungen und Vorfälle mit nicht identifizierten atmosphärischen Phänomenen (Unidentified Aerial Phenomena, UAP) erfassen können. Auf der Seite können diverse Berichte und Studien heruntergeladen werden. Nähere Angaben zu den erfassten Sichtungen finden sich jedoch nicht.

    Eine weitere bekannte Datenbank ist die britische "The PRUFOS Police Database" (Police Reporting UFO Sightings), des britischen Ufologen Gary Heseltine, der explizit die angeblich besondere Beweiskraft von Berichten bestimmter Berufsgruppen hevorhebt: "The best evidence for UFOs as extraterrestrial in origin is based on the high calibre witness categories" und u.a. auf Polizisten, Piloten, Radarbeobachter, Militärangehörige und Wissenschaftler verweist. Auf der Seite finden sich Beschreibungen von Sichtungen von Polizisten, die größtenteils als Sammlung von Berichten aus der Presse, Literatur und den freigegebenen MOD-Akten angelegt sind. Eine direkte Erfassung über die Webseite ist nicht möglich und inwieweit in den genanten Fällen auch Untersuchungen stattgefunden haben, ist unklar. Als reine Berichtssammlung haben solche Datenbanken aus wissenschaftlicher Sicht wenig Aussagekraft.

    Ferner existieren Fallkataloge einzelner Gruppen oder Forscher mit unterschiedlichen Schwerpunkten, auch zu Vorfällen im Luftraum bzw. aufgrund von Pilotenberichten, wie der AirCat-Katalog des Italieners Marco Orlandi von der Gruppe CISU oder der Aircraft/UFO Encounters File von Dominique Weinstein. Die französische Seite RR0 ("R.R. Zéro") enthält eine Übersicht einschlägiger Fallkataloge. Diese sind aber nicht immer aktuell oder werden beständig gepflegt.

    Quellen:
    Qualitative criteria: Credible witnesses
    The ability of eyewitnesses
    Wahrnehmungspsychologische Aspekte bei UFO-Sichtungen (GEP, PDF)
    NARCAP
    PRUFOS
    Aircraft/UFO Encounters File
    Catalogues de cas (Liste von Fallkatalogen, französisch)

    Nach wie vor sind Zeugenaussagen das wesentliche Indiz in der Argumentation um ein (möglicherweise) anomalistisches Phänomen hinter den UFOs/UAPs, da objektivierbares Beweismaterial, wie Fotos, Videos, Radaraufzeichnungen oder irgendwelche Trümmerteile etc., bislang, soweit als "echt" akzeptiert, keine eindeutigen Schlussfolgerungen zulässt. Insbesondere bei vorliegendem Bildmaterial mangelt es entweder an der Qualität oder darauf zu sehende Objekte sind zu weit weg, um überhaupt aussagekräftige Details zu erkennen, speziell bei den typischen Lichtern in der Nacht. Daran haben auch bisherige Bemühungen um eine instrumentelle Erfassung nichts geändert, von denen es in den vergangenen Jahrzehnten eine Menge gab. Die aktuell intitiierten, neuen Projekte stehen hier vor einer Herausforderung und müssen den Nachweis eines anomalistischen Phänomens im Luftraum (oder darüber hinaus) erst noch erbringen.

    Insofern gilt, worauf die jahrzehntelange private UFO-Forschung entsprechend hinweist: Gegenstand der Forschung sind schwerpunktmäßig Berichte über UFOs, nicht UFOs selber. Da die Grundlage dafür der Mensch und seine Wahrnehmung ist, muss auch ein Fokus in der Forschung darauf liegen und nicht in theoretischen, physikalischen Überlegungen zu spekulativen, interstellaren Antrieben. Erkannt haben das neben den wissenschafltlich-kritischen Forschern auch Wissenschaftler außerhalb der UFO-Szene, die sich schon immer auch mit der Psychologie außergewöhnlicher menschlicher Erfahrungen befassen. Ein zentrales Thema ist hier die forensische Zeugen- und Aussagepsychologie. Leider wird das in Falldiskussionen vielfach kaum reflektiert, wenn pro-UFO argumentiert wird.

    Ein Wissenschaftler, der hier forscht, ist Dr. Matthew J. Sharps, Professor für forensische Psychologie an der California State University in Fresno, mit dem wir seit kurzer Zeit einen guten Kontakt und angeregten Austausch haben und der sich auch völlig tabufrei mit der Psychologie anomalistischer Phänomene befasst. Darauf angesprochen, teilte er uns mit, dass er von der angeblichen Ablehnung der Beschäftigung mit solchen Themen zwar gehört, das selber aber nie erfahren habe. Das sei aber sicherlich auch auf seinen Fokus auf psychologische Prozesse, insbesondere der Fehlinterpretation herkömmlicher Phänomene, zurückzuführen. Zudem sieht er die Befassung mit extremen Augenzeugenirrtümern als sehr hilfreich für die wissenschafliche Forschung an.

    Kürzlich hat er für uns, anlässlich einer Anfrage, zum Thema Pilotenkompetenz und UFO-Beobachtungen ein kurzes Essay geschrieben, das wir hier auf deutsch und englisch veröffentlicht haben. Über seine Arbeit publiziert er u.a auch auf seinem Blog The Forensic View bei Psychology Today, von dem wir mit seiner freundlichen Genehmigung einzelne Artikel auf deutsch hier veröffentlichen dürfen. Ein Beitrag befasst sich mit der Frage, warum manche Menschen über Sichtungen von Bigfoot, Außerirdischen oder Geistern berichten, wo offenkundig keine sind bzw. andere Menschen nichts Außergewöhnliches wahrnehmen. Eine Frage, die wir uns und sich andere UFO-Forscher regelmäßig stellen, wenn ein weithin sichtbares, offenkundig herkömmliches Objekt fehlinterpretiert oder eine Beobachtung über belebtem Gebiet gemacht wurde, es aber daneben so gut wie keine parallele Sichtungsmeldungen gibt, vor allem, wenn die Schilderung sehr außergewöhnliche oder fremdartige Elemente enthält. Interessiert es andere Beobachter nicht oder erkennen sie das, was dahinter steckt? Über mögliche psychologische Ursachen, warum manche Menschen natürliche Dinge als außergewöhnlich wahrnehmen, schreibt Dr. Sharps in seinem untenstehenden Beitrag.
    Wichtiger Hinweis: Die Rechte, auch an den deutschen Übersetzungen, liegen bei Dr. Sharps. Eine Übernahme oder Weiterverwendung der Artikel ist nur mit seiner ausdrücklichen Genehmigung erlaubt.

    Bigfoot und Marsmenschen und Geister, oh weh!
    Matthew J. Sharps

    Augenzeugenpsychologie hilft uns, paranormale Überzeugungen und Sichtungen zu verstehen.

    In unserem letzten Forensic View-Beitrag1 haben wir gesehen, dass wir ganz normale Menschen dazu bringen können, nicht existierende Geografie, Strukturen und sogar Kanäle auf einer strukturlosen weißen Scheibe zu sehen, vorausgesetzt, sie halten sie für einen fremden Planeten. Dies hilft bei der Erklärung mehrerer wissenschaftlicher Rätsel, einschließlich der "Entdeckung" von nicht vorhandenen Kanälen auf dem Mars im letzten Jahrhundert, und es erklärt auch eine Menge prosaischerer Fragen in der forensischen Psychologie. Wenn der Verstand einen unschein­baren weißen Fleck in eine bewohnte Welt verwandeln kann, dann kann er sicherlich auch einen blonden Verdächtigen in eine Erinnerung an einen brünetten verwandeln, oder eine Art von Waffe in eine falsche Erinnerung an eine andere. Zugegeben, das Beispiel vom Mars ist extremer, aber wir können viel von Extremen lernen.

    Dennoch sieht nicht jeder Kanäle auf dem Mars oder verwandelt in Kriminalfällen blonde Angreifer in brünette. Warum also sehen und glauben manche Menschen unwirkliche Dinge, während andere dies nicht tun? Hier müssen wir uns wieder den Extremen zuwenden, und in der Psychologie geht es nicht extremer zu, als in der Welt von Bigfoot, Außerirdischen und Gespenstern. Niemand hat einen stichhaltigen Beweis für die Existenz dieser Dinge. Zugegeben, es gibt UFOs, unidentifizierte Flugobjekte. Die Menschen sehen viele fliegende Dinge am Himmel, die sie nicht identifizieren können. Ich habe selbst viele UFOs gesehen. Im Allgemeinen sind es Vögel. Aber sie gelten trotzdem als nicht identifiziert, weil ich sie nicht direkt kenne. Aber was die Außerirdischen, Bigfoot und die Geister selbst angeht - wenn man nicht wirklich an verschiedene Schmutzpartikel, Haare und Fäkalien glaubt, kann man sich nur auf Augenzeugen­berichte stützen, und wir haben gesehen, wie zuverlässig diese sein können. Wir können sie zu einem Augenzeugen von Marskanälen machen, die es gar nicht gibt.

    Warum also glauben die Menschen an Bigfoot, Geister und Außerirdische und sehen sie auch?

    Wir haben dazu eine Studie durchgeführt (zusammengefasst in Sharps, 2012). Wir untersuchten anhand von Standardbeurteilungen die individuellen Unterschiede zwischen denjenigen, die an diese Dinge glaubten, und denjenigen, die dies nicht taten, und stützten uns dabei zum Teil auf die folgenden Hypothesen:

    1. Depressive Menschen würden eher an Außerirdische glauben, die sie auf einen schöneren Planeten bringen könnten. Die Depressiven sollten auch an Geister glauben, denn Geister sind der Beweis für ein Leben nach dem Tod, in dem die Dinge besser werden könnten. Aber wir haben nicht erwartet, dass sich die Depressiven für Bigfoot interessieren.

    2. Menschen, die zu einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung neigen (nur die Neigung, nicht das ganze Syndrom), würden sich jedoch wahrscheinlich nicht für Geister interessieren. Sie würden sich sehr für Bigfoot und UFOs interessieren, und da man Außerirdische braucht, um die UFOs zu steuern, würden sie auch an sie glauben.

    Warum haben wir das gedacht? ADHS ist ein komplexes Phänomen, und viele Menschen haben nur einige der subklinischen Symptome, aber wir haben in meinem Labor beobachtet, dass Menschen mit diesen Tendenzen sich in der Regel nicht gerne langweilen - sie erfreuen sich häufig an seltsamen, aufregenden Dingen wie Bigfoot im Wald, und ein paar fliegende Untertassen hätten sie auch gerne dabei. Vor allem mit Phasern. Am coolsten wäre es, wenn Bigfoot das UFO fliegen würde, mit brennenden Phasern in jeder kryptozoologischen Faust. Aber Geister - um ehrlich zu sein, nein. Kreischende, untote Zombies mit Maschinengewehren, klar - aber Geister sind einfach nichts für Leute mit ADHS-Tendenzen.

    Wir haben diese Ideen mit Standardinstrumenten getestet, und die Ergebnisse stimmten vollständig mit den Hypothesen überein – die Depressiven glaubten relativ stark an Geister und Außerirdische, diejenigen mit subklinischen Neigungen zu ADHS an Außerirdische und Bigfoot, und es gab wirklich keine Überschneidung. Wenn dies die Genese dieser Dinge nicht eher im Geist als in der physischen Realität demonstriert, weiß ich nicht, was es tut.

    Aber dann gab es die Dissoziation.

    Wir sprechen hier nicht über die schweren dissoziativen Störungen des DSM-52. Wir sprechen von subklinischer Dissoziation, die die Welt ein wenig diffus und unwirklich erscheinen lassen kann. Dissoziation kann zu Tagträumen und dazu führen, dass man das Unwahrscheinliche leichter akzeptiert. Wahrscheinlich erlebt jeder Mensch von Zeit zu Zeit eine Dissoziation, aber manche Menschen erleben sie sehr häufig. Und was wir herausgefunden haben, wiederum unter Verwendung eines Standardinstruments, war, dass Menschen, die zur Dissoziation neigen, an alles glauben. Bigfoot, Außerirdische, Geister, das Ungeheuer von Loch Ness, das Ende der Welt nach dem Maya-Kalender 2012 - alles (Sharps, Liao & Herrera, 2016).

    Und es kommt noch schlimmer. Die Dissoziierten sehen diese Dinge auch (siehe Sharps, 2012).

    In unseren Experimenten wurden Hubschrauber mit Landescheinwerfern in seltsamen Winkeln zu UFOs. Teenager in eher schlechten Halloween-Kostümen wurden zu Bigfoot. Zerknitterter Stoff bei partieller Beleuchtung wurde zu einem Geist. Und so weiter - aber nur für diejenigen, die ein hohes Maß an Dissoziation aufwiesen. Alle anderen sahen Flugzeuge, Teenager und Stoff.

    Dissoziation, selbst auf der alltäglichen, subklinischen Ebene, prädisponiert Sie nicht nur dazu, an das Unwirkliche zu glauben. Sie hilft Ihnen, es zu sehen. Und raten Sie mal, wer in unserem letzten Beitrag über die Kanäle auf dem Mars die Gebäude, die Berge, die seltsamen Farben und die Kanäle auf einer leeren weißen Scheibe gesehen hat. Richtig - diejenigen mit einem relativ hohen Grad an Dissoziation. Das waren ganz normale Menschen, die einfach nur ein bisschen mehr von der Dissoziation erleben, die jeder gelegentlich empfindet.

    Aber sie sehen und berichten Dinge, die gar nicht existieren.

    Die Bedeutung dieses Phänomens für die praktische Welt der Strafjustiz kann kaum überschätzt werden. In früheren Beiträgen in The Forensic View haben wir über die normale Rekonfiguration des Augenzeugengedächtnisses und den Einfluss von schwerwiegendem Stress auf unser Gedächtnis gesprochen. Jetzt sehen wir, wie wichtig die individuellen Unterschiede sind. All diese Faktoren können zusammengenommen die Augenzeugenberichte beeinflussen, die für eine echte Gerechtig­keit für die Schuldigen und für das Leben und die Freiheit der Unschuldigen entscheidend sind. Das macht zwar nicht so viel Spaß wie Marsmenschen und Bigfoot; vielleicht ist es auch nicht so intellek­tuell befriedigend wie die Untersuchung wissenschaftlicher Irrtümer; aber es ist von unend­lich größerer Bedeutung für die Verdächtigen und die Opfer, die der Strafjustiz zur Kenntnis gelangen.

    Ich hoffe, dass ich mich in künftigen Beiträgen in The Forensic View speziell mit diesen Fragen befassen werde. Aber in der Zwischenzeit sollten wir uns vielleicht daran erinnern:

    Wir können eine Menge von den Extremen lernen.

    1Anmerkung des Übersetzers: Verweist auf den Blogbeitrag: “Eyewitness to the Aliens: Forensic Psychology on Mars
    2Anmerkung des Übersetzers: DSM-5 bezieht sich auf die aktuellste, fünfte Ausgabe des diagnostischen und statistischen Leitfadens psychischer Störungen.

    Verweise
    Sharps, M.J. (2017). Processing Under pressure: Stress, Memory, and Decision-Making in Law Enforcement (2nd ed.). Flushing, NY: Looseleaf Law.
    Sharps, M.J. Liao, S.W., and Herrera, M.R. (2016). Dissociation and Paranormal Beliefs: Toward a Taxonomy of Belief in the Unreal. Skeptical Inquirer, 40, May/June, 40-44.
    Sharps, M.J. (2012). Eyewitness to the Paranormal: The Experimental Psychology of the “Unexplained.” Skeptical Inquirer, 36, July/August, 39-43.

    Über den Autor
    Matthew J. Sharps, Ph.D., Professor für Psychologie an der California State University, Fresno. Er forscht unter anderem in forensischer Kognitionswissenschaft.
    https://www.psychologytoday.com/us/contributors/matthew-j-sharps-phd

    Originalquelle: https://www.psychologytoday.com/us/blog/the-forensic-view/202006/bigfoot-and-martians-and-ghosts-oh-my

    Bei der Beurteilung und Diskussion von UFO-Sichtungen stehen neben den Aussagen und Interviews von Zeugen insbesondere auch deren ggf. angefertigten Zeichnungen und Skizzen im Mittelpunkt, da diese die Wahrnehumg des Zeugen am besten wiedergeben und für die Untersucher veranschaulichen. Studien im Rahmen des kognitiven Interviews bestätigen auch, dass von Zeugen selbst angefertigte Zeichnungen zum Geschehen, unabhängig von einer Befragung, den Gedächtnisinhhalt am Genauesten wiedergeben, unverfälscht von Fragestellungen eines Interviews und der eigenen Verbalisierung und möglichen Konfabulation (Memon et al. 2010). Die Genauigkeit bezieht sich dabei natürlich auf die Vorstellungswelt und Perspektive des jeweiligen Zeugen, nicht auf die objektive Wirklichkeit.

    Ein besonderer Aspekt dabei ist, wenn Vorfälle eine mediale Aufmerksamkeit erreichen und wiederholt bzw. in Zeitabständen erneut aufgegriffen werden und auch in der Literatur ihren Niederschlag finden. Vielfach werden hierzu Zeichnungen von den Zeugen erneut angefertigt oder auch von Autoren nachgezeichnet oder selber auf Beschreibungen hin angefertigt. Die spannende Frage dazu ist, inwieweit verändern sich ggf. Zeichnungen oder weichen voneinander ab? Der bekannte Autor und Forteaner Ulrich Magin hat dies im nachfolgenden Artikel zu Zeichnungen von UFO- und Nessie-Zeugen aufgegriffen. Abschließend findet sich noch eine kleine Ergänzung unsererseits.

    Über Zeichnungen von UFO- und Nessie-Sichtungen
    Ulrich Magin

    Der Mensch ist ein Augentier und ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Sagt man. Deshalb sollen hier vor allem Bilder für sich sprechen – Bilder, die Augenzeugen einer ungewöhnlichen und überraschenden Beobachtung gemacht haben oder Bilder, die Forscher nach Angaben solcher Augenzeugen gemalt oder skizziert haben. Wie viel erfahren wir über die „Wirklichkeit“ durch solche Zeichnungen?

    UFO-Zeichnungen

    Beginnen wir mit der allerersten UFO-Sichtung – der von Kenneth Arnold am 24. Juni 1947. Arnold sah seine neun UFOs im Formationsflug aus einer Entfernung von 40 km! Das erste dieser UFOs war vom letzten etwa acht Kilometer entfernt (Ribera, S. 58). Die UFOs hätten mehrere hundert Meter dick sein müssen, um überhaupt erkennbar zu sein.

    Dessen ungeachtet zeichnete Arnold für die Behörden schnell eine Skizze der fliegenden Untertassen (später meinte er, das erste Objekt habe sich von den acht ihm folgenden unterschieden). Diese Skizze zeigt eine Art Halbmond mit flacher Spitze an der nicht abgerundeten Seite (Steiger, S. 33).

    Unter Arnolds Augen ließ Ray Palmer eine Illustration der Untertassen für sein Magazin FATE anfertigen, die den Augenzeugen so überzeugte, dass er sie auch als Umschlag für sein erstes Buch verwendete. Hier sind die UFOs so groß wie das Flugzeug, aus dem er sie beobachtete, und umschwirren es. Diese Art der Darstellung ist sicher auch visuellen Konventionen geschuldet – zeigt aber, dass selbst unter der Aufsicht von Augenzeugen angefertigte Zeichnungen den tatsächlichen oder behaupteten Tathergang nur unzureichend darstellen können. Der Umschlag von Arnolds Buch zeigt etwas anderes als das Geschehen, das er unmittelbar nach seiner Beobachtung schilderte.

    Abb. 1 - 3, von links: Arnolds Untertassen in eigener Zeichnung 1947, 1948 auf dem Cover von Fate und auf dem Umschlag seines Buchs.

    Es ist kein Einzelfall. Was der Zeuge zeichnet, verändert sich manchmal im Laufe der Zeit; manchmal verändert es auch ein UFO-Forscher. Manche, etwa von Ludwiger, illustrieren ihre Bücher sogar mit Skizzen, die mit den Augenzeugen nicht abgesprochen sind. Manchmal meldet sich ein Augenzeuge Jahre später und erklärt, die Skizze im Buch habe mit seiner Beobachtung nicht das Geringste zu tun (Ludwiger 2009).

    Soziale Faktoren beeinflussen, was wir sehen, wie wir es berichten und wie wir uns an das Gesehene erinnern, die Immunisierung gegen Kritik verändert und überformt unseren Bericht und unsere Erinnerung.

    So sah der Zeuge einer nahen Begegnung der dritten Art bei Langenargen am Bodensee ein Männchen, das Kermit dem Frosch mit rundem Kopf und zackiger Halskrause glich. Als sich Jahre später die Grauen als Prototyp des Außerirdischen etablierten, änderte er seine Darstellung und behauptete, er habe einen typischen Grauen mit unten spitz zulaufendem Kopf gesehen – und dass er solch einen verbreiteten Typ gesehen hatte, galt wiederum als Bestätigung seiner Sichtung. Und natürlich wurden die Skizzen entsprechen abgeändert (von Ludwiger 1992, Abb.9; Skizzenvergleich im Journal für Ufo-Forschung 3/1993, S. 84).

    In der Nacht vom 19. zum 20. September 1961 erlebten Barney und Betty Hill eine UFO-Begegnung, die als eine der ersten Entführungen und als Muster für spätere Berichte dieser Art in die Geschichte der Ufologie einging.

    Zunächst schilderte Betty Hill unter Hypnose äußerst menschlichen Entführer, die so etwas wie Luftwaffen-Uniformen trugen: „Sie hatten dunkle Haare und Augen, graue Haut, eine breite Brust und lange Nasen wie Jimmy Durante.“ (Nach Randle: „Ihre Nasen waren größer als normalgroße Nasen, aber ich habe aber schon Leute mit so großen Nasen gesehen – zum Bespiel Jimmy Durante.“) Ihr Mann Barney erinnerte sich, ebenfalls unter Hypnose, an etwas exotischere Wesen, die Nazi-Uniformen trugen. Als Betty hörte, was ihr Mann berichtet hatte, änderte sie ihren Alien ebenfalls in ein graues Männlein um, als sie erneut unter Hypnose befragt wurde (Keith, S. 275; Randle, S. 143, Watson, S. 102). Heute hat der typische Hill-Entführer in Darstellungen große schwarze Augen, keine Nase und eine Glatze.

    Abb. 4 bis 7, von links: Der Kopf des Aliens nach Betty Hill bei unterschiedlichen Befragungen und zu unterschiedlichen Zeiten. Abb. 4 zeigt die Skizze unter Hypnose und später beim Erinnern nach einer zeitgenössischen Illustrierten, Abb. 5 die Skizze und ihre künstlerische Umsetzung, Abb. 6 einen von Betty Hill modellierten Kopf (Sachs, S. 217). Mit schmalen Augen und weißen Augen und Pupillen ist das Wesen noch weit von dem „Grauen“ entfernt, als das es später betrachtet wurde. Abb. 7: Jimmy Durantes Nase ist bei späteren Entführungen nie mehr gemeldet worden – und spielt auf allen Darstellungen Betty Hills keine Rolle mehr.

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    Zeugenskizzen und ihre spätere Ausarbeitungen durch Grafiker und UFO-Forscher sind allerdings nicht zwangsläufig fehlerhaft oder verfälschend. Im Falle Socorro (24. April 1964) sind die unterschiedlichen Ansichten identisch, nur ausgefeilter, was auf die Befragung des Zeugen zurückzuführen sein könnte. Manche Zeichnungen also bleiben beständig, doch wer weiß, welche das sind?

    Abb. 8 und 9: Socorro, erste Phase (links nach Bowen, S. 134 und rechts nach Stanford, S. 27)

    Abb. 10 und 11: Socorro, zweite Phase (links nach Steiger, S. 110, rechts nach Stanford, S. 31)

    UFO-Symbole

    Nicht immer ist klar, ob ein UFO-Autor oder der Zeuge selbst zu dieser Variationsbreite von Illustrationen beigetragen hat. Es zeigt sich aber schnell – Bilder bekommen genauso Flügel wie Küken, sie verändern sich und diversifizieren. Betrachten wir nur folgende „authentischen“ Symbole auf UFOs, wie sie von verschiedenen, jeweils geachteten Autoren gezeigt werden – und wie unterschiedlich sie jeweils sind. Welches aber ist das „einzig Richtige“?

    Villas Boas-Symbol


    Keel, S. 223

    Bowen, S.232

    Socorro-Symbol


    Stanford, S. 31


    Keel, S. 223

    Steiger, S.107; Sachs, S. 299

    Bowen, S. 135

    Abb. rechts: Das Socorro-Zeichen auf einer Rekonstruktion des "San Antonio Express" vom 30. April 1964. Zamorra soll unterschiedliche Versionen des Zeichens verbreitet haben, um Nachahmungstäter zu überführen. Dieses rechts abgebildete Symbol (ein spitzer, unten offener Winkel, der dreimal waagrecht durchgestrichen ist) soll der Zeuge nur guten Freunden gezeigt haben, um selbst Schwindler zu erkennen (Stanford, S. 177–183, Jufof 185, 5/2009, S. 152).

    Bilder des Ungeheuers von Loch Ness

    Auch wenn jemand das Loch-Ness-Monster gesehen hat, erhalten wir eine Zeugenskizze oder eine Zeichnung, die nach Angaben des Augenzeugen angefertigt wurde. Je populärer (und damit bedeutender für die Interpretation de Phänomens) eine Sichtung ist, desto mehr Skizzen liegen vor.

    So wie Hynek, Keel oder Vallée gelten auf dem Gebiet der Nessie-Forschung Constance Whyte, Tim Dinsdale und Ted Holiday als verlässliche Autoritäten. Sie haben jeweils die wichtigsten Augenzeugen befragt und sich von ihnen das Gesichtete skizzieren lassen. Doch diese Skizzen fallen bei derselben Beobachtung oft sehr, sehr unterschiedlich aus, auch wenn sie dieselbe ursprüngliche Zeichnung wiedergeben. Es scheint so, als veränderten sich bei Befragungen angefertigte Skizzen allmählich.

    George Spicer und seine Frau waren 1933 die ersten, die Nessie an Land sahen, als es eine Nebenstraße überquerte. In einem Leserbrief an die Lokalzeitung „Inverness Courier“ schilderte Spicer, es sei sechs bis acht Fuß lang [1,80 bis 2,40 m] gewesen und habe ein Lamm im Maul mit sich geschleppt. Die Spicers änderten ihre Geschichte nach diesem ersten Bericht. Bei der Forscherin Constance Whyte beschwerte sich George Spicer im Jahr 1957, dass sich die Leute über ihn lustig gemacht hätten: „Es wurde berichtet, dass das Monster ‚mit einem Lamm im Maul‘ gesehen worden war; diese und andere verzerrte oder unvollständige Berichte waren zu dieser Zeit üblich und wurden, sehr zum Ärger von Herrn und Frau Spicer, danach häufig wiederholt.“ Whyte gegenüber sagten sie nun: „Das muss wohl das Ende des Schwanzes gewesen sein.“ Die Größe des Wesens gaben sie in einem Interview mit Tim Dinsdale im Jahr 1960 mit 7,5 m (25 Fuß) an, Nick Witchell erzählten sie Mitte der 1970er Jahre, es seien 9 m (30 Fuß) gewesen (Magin 2011, S. 210–211). Geschichten wachsen, Augenzeugenberichte passen sich den geäußerten Kritikpunkten an. Aber eben auch Zeugenskizzen.

    Abb 12 bis 14, von links: Das Ungeheuer des Ehepaars Spicer nach Rupert Gould 1934, Constance Whyte 1957 und Tim Dinsdale 1976. Alle konsultierten die Augenzeugen, unter deren Ägide die Illustrationen angefertigt wurden. Das Monster ist durchaus variabel.

    Der Nächste, der das Ungeheuer an Land sah, war 1934 der Student Arthur Grant. Seine eigene Skizze ist eher tastend, die veröffentlichten Versionen allerdings verfestigen diese Eindrücke und verändern sie zuweilen. Bei Dinsdale werden sogar eindeutige Zehen zu glatten Flossen.

    Abb. 15 bis 19, von oben links: Arthur Grants erste Skizze, Rupert Goulds Version 1934 (S. 163), Constance Whyte 1957, Tim Dinsdale 1961 (S. 45) und 1976 (S. 35)

    Greta Finlay und ihr Sohn sahen das Ungeheuer am 20. August 1952 aus nächster Nähe. Auch hier sind, selbst bei genereller Ähnlichkeit, leicht gröbere Abweichungen zu bemerken – lag der Körper unter Wasser oder bildete er zwei oder sogar drei Höcker?

    Auch passt das Bild nicht mit dem Zeugenbericht zusammen: Die Finlays meinten, „die sichtbare Gesamtlänge belief sich auf etwa 4,50 m. Den Hals hielt es senkrecht, und da, wo er ins Wasser kam, traf er auf einen massigen Körper. Hals und Kopf waren zusammen 60 bis 75 cm lang.“ Nimmt man aber die Gesamtlänge am Wasserspiegel mit 4,50 m an, dann wären Hals und Kopf 1,80 bis 2,10 m lang. Oder – maß der Hals 60 cm, dann betrug die Gesamtlänge der beiden Höcker nur 90 cm. Die Skizzen weichen nicht nur voneinander ab, sondern zudem vom mündlichen Bericht.

    Abb. 20 bis 22, von links: Greta Finlays Ungeheuer nach Constance Whyte 1957, Tim Dinsdale 1961 (S. 123) und 1976 (S. 95).

    Abb. 23, Sammlung von Nessie-Zeichnungen In einem Buch über Nessies Cousine Morag im Loch Morar bildete Elizabeth Montgomery Campbell die 33 von ihr gesammelten Sichtungen des Monsters ab – und erschafft durch diese starke Vereinfachung ein Bild des Tieres, das einheitlich wirkt, aber gar nicht einheitlich ist, wenn man die einzelnen Berichte liest, die hier als identisch skizziert sind (s. Abb 23 links)!

    Das erste Foto des Monsters gelang im November 1933 angeblich Hugh Grey aus dem Seedorf Foyers (Abb. 24, unten). Die Umzeichnung dieses Fotos zeigt, wie sehr seine Darstellung den Überzeugungen der jeweiligen Autoren angepasst wurde. Abb. 25 (rechts oben) stammt von dem skeptischen Maurice Burton (S. 79), Abb. 26 (rechts unten) von F. W. Holiday (S. 32), der das Ungeheuer für einen riesigen Wurm hielt.


    Abb. 25, Zeichnung von Maurice Burton
    Abb. 24, Foto von Hugh Grey
    Abb. 26, Zeichnung von F.W.Holiday


    Abb. 26, Skizzen zu einem Augenzeugenbericht

    Überhaupt ist es nicht einfach, ein fremdes Erlebnis in eine Skizze zu fassen. Der Monsterforscher Maurice Burton (S. 141) legte zwei professionellen Tierzeichnern und zwei Zoologen denselben schriftlichen Augenzeugenbericht vor, damit sie ihn illustrieren konnten (Sichtung von P. Grant, 12. August 1934). Das Ergebnis mahnt zumindest zur Vorsicht, wenn ein Monster- oder UFO-Forscher ein Bild nur nach Augenzeugenberichten zeichnet, ohne den Beobachtern selbst das Bild vorzulegen (s. Abb 26 links).

    Das sind sehr grundlegende Fakten – Skizzen verändern sich, wenn sie übernommen werden, Augenzeugen erinnern sich neu und anders, wenn sie nach Jahren wieder befragt werden, Verlass ist auch auf verlässliche Autoren nicht, weil Fehler eben vorkommen. Es ist gut, wenn ein Augenzeuge oder ein Forscher unter dessen Aufsicht eine Skizze zeichnet, weil der unmittelbare optische Eindruck häufig selbsterklärender ist als ein langer und umständlicher Bericht mit Worten. Und doch gilt dieselbe Vorsicht wie bei Zeugenerzählungen.

    Es geht mir nicht darum, ob und was die Augenzeugen gesehen haben – sondern um die simple Tatsache, dass weder eine Skizze des Augenzeugens noch die eines ihn befragenden Forschers fotografische Qualität hat, dass sich Zeugenskizzen, wie Zeugenschilderungen, im Laufe der Zeit massiv verändern können und dass ein Bild bei anomalen Phänomenen zwar mehr sagt als tausend Worte, aber auch nicht immer das, was eins zu eins die Wirklichkeit abbildet.

     

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    Soweit Ulrich Magins Artikel. Als kleine Ergänzung möchten wir noch das Beispiel Whitley Strieber anfügen, dessen Schilderungen über seine angeblichen Entführungen, nicht zuletzt aufgrund seiner Buchveröffentlichungen, als Synonym für die sogenannten "kleinen Grauen" gelten. Weniger bekannt dürfte sein, dass dessen anfänglich angefertigten Zeichnungen völlig andere Darstellungen der Außerirdischen zeigen, als das später verbreitet wurde, unter anderem ein bekleideter und behaarter Außerirdischer. Unser Dank geht an dieser Stelle an den schwedischen Forscherkollegen Clas Svahn von der AFU, der uns die betreffende Zeichnung zur Verfügung stellte.

    Abb. 27: Diese Zeichnung wurde von Whitley Strieber
    für den schwedischen UFO-Forscher Clas Svahn während eines Interviews in Stockholm am 11. Oktober 1988 angefertigt. Strieber beschrieb die Entität als eine von
    "der guten Armee". Copyright: Clas Svahn/AFU

    Abb. 28: Zeichnerische Darstellung aus dem YouTube-Video "Whitley Strieber Conta Sua Experiência Em 1996"

    Abb. 29: Titelbild des Bestsellers "Die Besucher" (engl.: Communion) von Whitley Strieber, mit der idealisierten Darstellung der Außerirdischen.

    Abschließend möchten wir noch eine Darstellung abdrucken, die die mögliche Beeinflussung der Darstellung Außerirdischer durch zeitgenössische Science Fiction-Filme zu verdeutlichen sucht (s. Abb. 30 rechts) (Loxton 2005). Ein Ansatz, der seinen Niederschlag in der psychosozialen und kulturellen Hypothese des UFO-Phänomens findet, die das Phänomen in seiner Beschreibung auch als zeitgenössische Folklore definiert. Allerdings gelten auch psychologische Implikationen der Zeugen als mögliche Hintergründe für das Aussehen von Außerirdischen, wie die uniformierten Aliens bei Betty und Barney Hill.

    Abb. 30: Inspiration der Begegegnung mit Außerirdischen durch Sceince Fiction


    Literatur zum Artikel
    Arnold, Kenneth; Palmer, Raymond A.: The Coming of the Saucers. Amherst Press 1952
    Bowen, Charles, Hrsg.: The Humanoids. London: Futura 1974
    Burton, Maurice: The Elusive Monster. London: Hart-Davies 1961
    Dinsdale, Tim: Loch Ness Monster. London: Routledge & Kegan Paul 1961, 1976
    Holiday, F. W.: The Great Orm. London: Faber & Faber 1968
    Keel, John A.: Operation Trojan Horse. London: Abacus 1973
    Keith, Jim: Mind Control, World Control. Adventures Unlimited Press 1997
    Loxton, Daniel. "Alien abduction: part one of two: the invasion begins!" Skeptic [Altadena, CA], vol. 12, no. 3, 2005, S. 81ff
    Ludwiger, I. v., Hrsg.: Beiträge zur Ufo-Forschung aus Geschichte, Biologie und Physik. MUFON-CES-Bericht Nr. 12, 2009
    Ludwiger, I. v.: Der Stand der UFO-Forschung. Frankfurt a .M. 1992, 2.Aufl.
    Magin, Ulrich: Investigating the Impossible. Anomalist 2011
    Montgomery Campbell, Elizabeth: The Search for Morag. London: Tom Stacey 1972
    Randle, Kevin D.: Faces of the Visitors: An Illustrated Reference to Alien Contact. Fireside 1997
    Ribera, Antonio: El Gran Enigma de los Platillos Volantes. Barcelona: Pomaire 1966
    Sachs, Margaret: The Ufo Encyclopedia. New York: Putnam 1981
    Stanford, Ray: Socorro Saucer. New York. HarperCollins 1978
    Steiger, Brad, Hrsg.: Project Blue Book. New York: Ballantine 1976
    Watson, Nigel: Captured by Aliens?: A History and Analysis of American Abduction Claims. McFarland 2020
    Whyte, Constance: More Than a Legend. London: Hamish Hamilton 1957

    Weitere Quellen
    Memon, A., Meissner, C. A., & Fraser, J. (2010). The cognitive interview: A meta-analytic review and study space analysis of the past 25 years. Psychology, Public Policy, and Law, 16[4], 340-372.
    YouTube-Video "Whitley Strieber Conta Sua Experiência Em 1996"
    Buchcover "Die Besucher" von Whitley Strieber
    Loxton, Daniel: "Alien abduction: part one of two: the invasion begins!" Skeptic [Altadena, CA], vol. 12, no. 3, 2005, 81ff

    Typischerweise beruhen gemeldete UFO-Beobachtungen auf Einzelzeugenberichten. Nur in wenigen Fällen werden Beobachtungen von mehreren Personen oder Gruppen gemacht. Bei mehreren Augenzeugen wird die geschilderte Beobachtung tendenziell als zuverlässiger angesehen, aber ist dies tatsächlich so? Oder bestätigen diese eher die seitens kritischer Forscher bemängelte grundsätzliche Unzuverlässigkeit von Augenzeugenberichten? Der Forteaner und Autor Ulrich Magin hat sich im nachfolgenden Artikel nicht nur aus UFO-Sicht damit beschäftigt.

    PROBLEMFALL GRUPPENSICHTUNGEN – WIE ZUVERLÄSSIG SIND AUGENZEUGENBERICHTE?
    Ulrich Magin

    Eine Möglichkeit, die Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen einzuschätzen, besteht darin, Zeugen ein und derselben Erscheinung zu befragen und nachzusehen, wie genau ihre Schilderungen übereinstimmen. Ist der Mensch generell ein zuverlässiger Berichterstatter, sollten die Berichte übereinstimmen. Dann würde eine exotische Erzählung automatisch bedeuten, dass die Augenzeugen etwas mit einem hohen Strangeness-, also Fremdartigkeitsgrad, gesehen haben. Weichen die Aussagen in einem solchen Fall voneinander ab, liegt die Exotik des beobachteten Phänomens eher im Beobachter begründet und nicht im Objekt selbst.

    Es gibt nicht allzu viele Sichtungen von UFOs (oder anderen Phänomenen), bei denen mehr als ein Augenzeugenbericht vorliegt – häufig wird ein Zeuge befragt, und die zusätzlichen Beobachter stimmen mehr oder weniger einfach zu. Die folgende Aufstellung soll aber zeigen, wie es um den Übereinstimmungsgrad beschaffen ist, wenn mehrere Zeugen unabhängig voneinander zum gleichen Ereignis befragt wurden.

    UFOs

    Beginnen wir mit einer fliegenden Untertasse, die bereits 1946 gemeldet wurde. Am 8. Oktober 1946 durchquerte die Erde den Schweif des Kometen Giacobini-Zinner. Der Sternschnuppenregen war lange vorher angekündigt und lockte viele Besucher ins Freie. Mead Layne, ein theosophisch orientierter Kontaktler, gab damals die Zeitschrift „Round Robin“ heraus, die Botschaften von Außerirdischen veröffentlichte. Seine Leser sahen keine Meteoriten, sondern Raumschiffe. „Ab 10.45 Uhr sahen die Abonnenten des Round Robin ein Raumschiff, das sich als Silhouette vor dem Mond abhob. Dreizehn Augenzeugen werden genannt. Alle aus San Diego. Jeder beschrieb das Objekt anders“, resümiert Tiffany Thayer, der Vorsitzende der „Fortean Society“ in deren Magazin „Doubt“. (Thayer 1946) Ein Mann, der paranormal begabt war „gab Layne eine Botschaft, die er angeblich erhalten hatte. Darin wurde das Objekt als ‚mechanischer Vogel namens Careeta‘ bezeichnet. Es stammte von einem weit entfernten Planeten und die Mannschaft fürchtete sich vor der Landung.“ Es wurden also nicht nur bereits ein Jahr vor Ankunft der fliegenden Untertassen Meteoriten für Raumschiffe gehalten, sondern: „Each describes the object differently. – Jeder beschrieb das Objekt anders.“

    Am 13. Februar 1969 sah eine Familie wenige Meter vom Strand von Niebla in Chile entfernt nur wenige Zentimeter über dem Boden ein eiförmiges UFO – oder: „einen Oktaeder 60 Meter über dem Erdboden“ – je nachdem, welchen Zeugen man fragte. (von Kleist: 2019, S. 77, Fußnote 38)

    1990 begegneten die chilenischen Geschwister Mónica und María Elena Rossi einem gelandeten UFO bei Ñuñoa, einem Stadtteil von Santiago de Chile. Eine Tür öffnete sich und ein Astronaut stieg aus. Er war – so María Elena – „sehr groß“ und trug einen Helm, „der sein Gesicht ganz bedeckte“. Mónica sah „einen kleinen Grauen“, wie bei den Entführungen. Die ganze Episode dauerte 40 Minuten. (von Kleist 2019, S. 165)

    Am 2. Oktober 1936 beobachtete Valentine Williams ein eigenartiges Lichtphänomen über San Sebastian im Baskenland. Er sah ein hell leuchtendes Objekt, das schnell und auf einer geraden Flugbahn über die Berge raste. Das Licht war orange. Zwei Männer begleiteten ihn. Sie gaben an, das Licht sei weiß gewesen. Von Biarritz aus beobachtete Tom Dupree das Licht. Er gab an, es sei grün gewesen. (Ribera 1966, S. 260) Astronomen registrierten zur selben Zeit – einen gewöhnlichen Boliden.

    Im Oktober 1940 fürchtete man in Großbritannien keine außerirdische, sondern eine deutsche Invasion. Pflichtbewusste Bürger meldeten Beobachtungen und Funde, die relevant sein könnten. In der Old Street, London, lag ein seltsames Objekt. Es wurde der Polizei gleich mehrmals angezeigt – einmal als „schwarzer und goldener Gegenstand“, einmal als „gallertartige Masse““ und einmal als „metallisches Pulver, das in dunklem, plastikartigen Material steckt“. Es handelte sich um einen Bilderrahmen aus Bronze. (Young 2019)

    Bei einem Fall der GEP sah ein Ehepaar ein Objekt mit Flügeln und einem Cockpit. Der Mann sah darin drei Wesen, die Frau – nichts. (Ickinger 2019, S. 174)

    Seeungeheuer

    Am 30. Juli 1948 begegnete eine Bootsladung Touristen einem Ungeheuer im schottischen Loch Morar. Die Kryptozoologin Elizabeth Montgomery Campbell befragte zwei Zeugen des Ereignisses rund 20 Jahre später. John Gillies erinnerte sich, im Boot wären 9 Leute gewesen, Noel O’Donnell rund 20. Das Tier sei 6 m lang gewesen, berichteten damals die Zeitungen, und hätte 5 sehr flache Höcker gehabt. John meinte, es habe kaum Kielwasser erzeugt. Für Noel hatte es keine Höcker, sondern glich einem hoch aus dem Wasser ragenden Wal und hinterließ massives Kielwasser. Für John Gillies war das Tier eine Viertelmeile entfernt, für Noel O’Donnell eine Meile. John erinnerte sich, wie langsam sich das Tier bewegte, Noel erinnerte sich an seine „schreckliche Geschwindigkeit“ von acht Knoten. (Campbell 1972, S. 120)

    Am 15. September 1823 berichteten Passagiere auf dem Paketboot Lady Sherbroke bei Montreal in Kanada, „daß sie bis wenige Meilen von der Stadt von einem großen Seeungeheuer verfolgt worden wären, welches einige für die berüchtigte Seeschlange, andere aber für einen Wallfisch hielten.“ (Bremer Zeitung, Sonntag, den 16. November 1823) „Die meisten stimmten indessen dahin überein, daß es ein großer von 35 bis 80 Fuß langer Fisch gewesen sei.“ Das sind geschätzte Längen von 10,5 bis zu 24 Meter!
    Am 17. Juli 1875 beobachtete Captain Garton eine Seeschlange vor dem amerikanischen Plymouth. Das Ungeheuer hatte einen schwarzen Kopf mit weißer Kehle und riesigen, „untertassengroßen“ Augen. Der Körper war rund, etwa 30 m lang, schlangenförmig und bewegte sich wie eine Raupe. Auf einem anderen Schiff saß ein Passagier, der das Monster ebenfalls sah. Er meinte, der Kopf sei flach gewesen wie der einer Schildkröte, das Tier habe eine große Rückenflosse gehabt und „kleine Flossen entlang beider Seiten“. Das Tier sei 18 m lang gewesen und habe sich glatt durchs Wasser bewegt. (O’Neill 2003, S. 126)

    1886 tauchte die Seeschlange bei Rockport auf. Granville Putnam schilderte das Meer als „ganz glatt und ruhig, mit Sonnenschein“, William Pool meinte „der Wind frischte auf und erzeugte mächtige Wellen“. Virginia Henderson meinte, „das Meer war glatt wie Glas“. Sie sah 4 Schlingen, Putnam 15 Höcker. Pool gab an, die Schlange sei „hellgrau“ gewesen, Putnam „dunkelbraun“. (O’Neill 2003, S. 139, 140)

    Am 7. Juli 1960 zeigte sich die Seeschlange bei Cape Ann. Mehrere Augenzeugen wurden befragt. Richard Laupot berichtete, das Tier sei schlangenförmig gewesen, grau, mit „zwei schwarzen Segeln … Darauf waren gelbe Punkte. Es glich einem Dinosaurier.“ Captain Ellis Hogkins beschrieb dasselbe Tier so: „Es sah aus wie ein Kamel, das halb im Wasser steht.“ (O’Neill 2003, S. 204)

    Ein Ungeheuer, das sich 1688/89 im Rhein zeigte, wurde abwechseln als „Pferd“, „Kuh“ oder „Schwein“ beschrieben. An drei verschiedenen Orten (Worms, Koblenz, Köln) soll es schließlich gestrandet sein. (Magin 2015)

    Anfang der 1960er Jahre beobachtete Mildred Nye ein überaus bizarres Monster, das beim englischen Orford Ness geschossen worden war. Das Tier war etwa 5 m lang und glich einer riesigen Kaulquappe mit vier handförmigen Flossen. Sie erinnere sich, dass der Kurator des Ortsmuseum den Kadaver fotografiert und protokolliert hatte. Der Nessie-Forscher Tim Disdale kontaktierte den Mann und erfuhr, dass es sich bei der Riesenkaulquappe um einen 3,30 m langen Blauhai gehandelt hatte, der nicht erschossen, sondern tot angeschwemmt worden war. (Dinsdale 1976. S. 151–155)

    Das Bild rechts zeigt das Ungeheuer von Orford, wie es Frau Nye in Erinnerung hatte – als 5 m lange Kaulquappe. Darunter das Tier, wie es der Meeresbiologe sah – als 3 m langen Blauhai. (nach Dinsdale)

    Im Juli 1723 beobachteten drei erfahrene Seeleute einen Meermann vor Helsingör. „Was die Gestalt dieses Ungeheuers betrifft, so sagen sie, daß es ihnen als ein alter Mann vorgekommen, sehr stark von Leibe, mit breiten Schultern, allein von den Aermen konnten sie nichts sehen. Der Kopf war, in Vergleichung des Rumpfes, nur klein, und hatte schwarze krause Haare, die aber nicht weiter giengen, als bis an die Ohren; die Augen lagen tief im Kopfe; das Gesicht war mager und rauh, und hatte einen schwarzen Bart, der abgeschnitten zu seyn schien. Die Haut war grob, und ziemlich mit Haaren bedeckt. Peter Gumersen berichtete (doch hatten es die andern nicht gesehen), daß dieser Meermann um dem Leibe und unterwärts ganz spitz wie ein Fisch gewesen.“ (Pontoppidian 1754, S. 366): Bevor jemand auf die Idee kommt, solche Sachen geschähen nur bei anomalen Phänomen und könnten durch deren paranormale Natur erklärt werden: Der berühmte Peloros Jack, ein Rundkopfdelfin, der ab 1888 Schiffe in der Cook-Straße zwischen der Nordinsel und der Südinsel Neuseelands begleitete, wurde – je nachdem, wer ihn meldete – als glatthäutig oder vernarbt, mit unterschiedlicher Körperfarbe und unterschiedlichen Kopfformen gemeldet. (Alpers 1966, S. 198–224)

    Tatzelwurm

    Enden wir mit einem Ungeheuer, das uns am nächsten ist: dem Tatzelwurm, einen bislang unentdeckten Riesenreptil der Alpen.

    Je nach Berichterstatter saß ein „Haselwurm“, der um 1830 bei Pergine, Trient, erschlagen wurde, auf einer Eiche, kroch aus einem Erdloch oder flog über das Tal. (Meusburger 1934, S. 79) Je nachdem, für was man den Tatzelwurm hält, hat man freie Auswahl!

    (Manchmal reicht es bereits, denselben Zeugen mehrmals zu befragen: Ein Tatzelwurmbeobachter namens Sandtner will bei Ruhpolding auf den Tatzelwurm getroffen sein. Einem Forscher erzählte er, es sei ein „Molch ohne sichtbare Füße“ gewesen, dann wieder, der Wurm sei über den Weg „gelaufen“, einmal hatte er „unter einem Baumstrunk hervorgeschaut“. Der Tatzelwurm hatte einmal keine Füße, ein anderes Mal kurze Füße. „Hier finden wir also zwei widersprechende Nachrichten über scheinbar den gleichen Vorfall“, schreibt der Tatzelwurm-Forscher Karl Meusburger. „Wenn Sandtner zu Ruhpolding einen ‚Molch ohne sichtbare Füße‘ sah“, schlussfolgerte Doblhoff, „so stimmte das wenig zur ‚Schlange mit Füßen‘ und nicht einmal mit der früheren Angabe, dass man ‚ein kleines Krokodil‘ zu sehen glaubte.“ „Was soll nun die Wissenschaft mit diesem ‚verläßlichen‘ Bericht anfangen?“, fragt sich Dr. Otto Steinböck. (Meusburger 1931, S. 473, Doblhoff 1895, S. 160, Steinböck 1934, S. 462)

    Am 10. oder 12. Juni 1910 war Franz Brandner anwesend, als ein 35 cm langer Tatzelwurm mit nur einem Beinpaar unmittelbar hinter dem Kopf einen Holzknecht im Preunegtal in der Steiermark biss. Der erschrockene Knecht schlug das Tier tot, er starb aber bald darauf an dem giftigen Biss. Später meldete sich ein weiterer Augenzeuge, aber er erinnerte sich, dass das Ganze schon 1908 passiert war, der Tatzelwurm nur 25 cm maß, vier Füße hatte und der Biss nicht tödlich gewesen war. (Flucher 1932, S. 504f)

    Schlussbemerkung

    Wenn Augenzeugen so unzuverlässig sind und so voneinander abweichen, wieso kann man dann z.B. eine Meldung einer fliegenden Untertasse als Miniatur-Heißluftballon erkennen? Weil hier, zusätzlich zum Augenzeugenbericht, das reale Objekt bekannt ist. Gleicht ihm die Zeugenbeschreibung, lässt sich rückfolgern, es habe sich um einen solchen Stimulus gehandelt. Sieht der Augenzeuge einen bekannten Stimulus, berichtet ihn aber so, wie die nette Dame den Blauhai von Orford als Riesenkaulquappe, dann hilft auch die beste Kenntnis der Stimuli nicht, um den Auslöser der Sichtung zu benennen. Das Objekt wird dann zu PROBLEMATIC UFO oder GOOD UFO.

    Die Abweichungen in den einzelnen Berichten zeigen, welch große Bandbreite an Details zur Verfügung steht, selbst aus einfachen, sicher erklärbaren Beobachtungen noch komplexe anomale Wahrnehmungen zu machen.

    Literatur
    Alpers, Anthony: Delphine. München: dtv 1966
    Campbell, Elizabeth Montgomery: The Search for Morag. Tom Stacey Ltd 1972
    Dinsdale, Tim: The Leviathans. London: Futura 1976
    Doblhoff, Josef Frh. v.: Altes und Neues vom „Tatzelwurm“, mit einem Schlussworte über vergleichende Sagenforschung in Österreich-Ungarn. Zeitschrift für Österreichische Volkskunde 1895, S. 140–164
    Flucher, Hans: Und abermals vom Tatzelwurm. Schlern, Band 13, 1932
    Ickinger, Jochen: UFO-Tagung 2019 in Kassel. Jufof 6/2019, S. 174
    Magin, Ulrich: Magischer Mittelrhein. Rheinbach: Regionalia 2015
    Meusburger, Dr. Karl: Etwas vom Tatzelwurm. Der Schlern 1931, S. 458–479
    Meusburger, Dr. Karl: Neue Beiträge zur Tatzelwurmfrage. Der Schlern 1934, S. 64–85
    O’Neill, J. P.: The Great New England Sea Serpent. Paraview Special Editions 2003
    Pontoppidian, Erik: Versuch einer Natürlichen Historie von Norwegen. Zweiter Teil. Kopenhagen: Franz Christian Mumme 1754
    Ribera, Antonio: Gran enigma de llos platillos volantes. Barcelona: Editorial Pomaire 1966
    Steinböck, Dr. Otto: Der Tatzelwurms und die Wissenschaft. Der Schlern 1934, S. 453–468
    Thayer, Tiffany Sizzling Zinner, Doubt 17, 1946, S. 251–252
    von Kleist, Sebastian: Encuentros con extraterrestes en Chile Chile: Ediciones Coliseo Sentosa 2019
    Young, Taras: Hun-identified flying objects. Fortean Times 384, Oktober 2019, S. 57
    Netzwerk Kryptozoologie

    Ergänzend zu diesem Beitrag möchten wir anmerken, dass wir mehrere Augenzeugenberichte zu einer Beobachtung als durchaus interessant und möglicherweise hilfreich ansehen, da mehrere, auch abweichende, Beschreibungen so ggf. mehr und vollständigere Informationen über das Objekt und Hinweise auf eine herkömmliche Ursache liefern können, als das nur eine einzelne Aussage würde. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Unabhängigkeit der Augenzeugen, die dann eher gegen einen Schwindel bzw. erfundene Geschichte spricht und auch phantasievoll ausgeschmückte Geschichten minimiert. Als problematisch gelten interagierende Gruppen, also Zeugen, die gemeinsam als Gruppe eine Beobachtung machen. Durch die zu erwartende anschließende Unterhaltung untereinander über das, was man da gesehen hat, kann es auch zu Verfälschungen der eigenen Wahrnehmung und Beeinflussung durch andere Zeugen kommen. Insbesondere bei seltsam anmutenden Beobachtungen und einer gewissen Aufregung komme es lt. Hendry zu einem solchen Gruppendenken. Eine Rolle kann dabei auch eine Mehrheitsmeinung spielen, oder aufgeregte Fehleinschätzungen einzelner, die die Wahrnehmung und Interpretation anderer Beobachter beeinflussen.

    Der englische Forscher Isaac Koi fasst das auf seiner Webseite im Kapitel „Qualitative criteria: Multiple witnesses“ sehr schön zusammen und spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „internen Kontamination“ bei derartigen Gruppensichtungen.[1]

    [1]: https://www.isaackoi.com/best-ufo-cases/17-qualitative-criteria-multiple-witnesses.html

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