UFO-Zeichnungen & IFO-Wahrnehmung

Einleitung

Wie zuverlässig sind Zeichnungen von UFO-Augenzeugen? Welche Bedeutung können wir ihnen bei der Frage zumessen, was tatsächlich beobachtet wurde? Zu diesen Fragen konnte ich einen Vortrag auf der UFO-Tagung der GEP im Jahr 2022 halten, den hier textlich mit kleineren Ergänzungen zusammenfassen möchte und zu dem noch ein ausführlicherer Aufsatz erscheinen wird.

Nach wie vor erhalten wir den Großteil der Sichtungen ohne Bildmaterial in Form von Fotos oder Videos, so dass Zeichnungen von Augenzeugen, neben Beschreibungen, den einzigen Anhaltspunkt zur zentralen Frage "Wie sah es aus?" bieten. Entsprechend stehen diese in der Falldiskussion im Mittelpunkt, wenn es darum geht, was ein Zeuge gesehen hat und inwieweit es sich mit herkömmlichen Objekten in Einklang bringen lässt. Die Abb. rechts zeigt einige Skizzen, die anlässlich von UFO-Sichtungen abgegeben wurden, jedoch herkömmliche Objekte zeigen, erkennen Sie sie?

Zeichnungen bieten grundsätzlich drei Vorteile:

  • Sie vermitteln einen originären visuellen Eindruck davon, was der Zeuge gesehen hat,
  • sie ergänzen verbale und schriftliche Angaben,
  • und sie sind unabhängig von Sprach- und Schriftfertigkeiten und können so Erinnerungen besser abbilden, als verbale und schriftliche Angaben.

Zusammen mit dem freien Zeugenbericht und Detailangaben aus einem Fragebogen bilden sie den Dreiklang an Informationskanälen, die wir im Idealfall mindestens haben. In der Fallbeurteilung sind Zeichnungen meist auch Teil der Argumentation für oder gegen ein herkömmliches Objekt, je nachdem, inwieweit man Details der Zeichnungen mit diversen Objekten in Einklang bringen kann. Nicht selten wird in Falldiskussionen gegen ein eventuell infrage kommendes, herkömmliches Objekt argumentiert, da die Zeichnung nicht dem Objekt entspräche. Aber wie begründet ist eine solche Argumentation anhand von Zeichnungen?

Um mich dieser Frage anzunähern, habe ich sie aus vier Blickwinkel betrachtet:

  1. Welche Erkenntnisse lassen sich aus Zeichnungen zu identifizierten Fällen ableiten ("IFO-Message")?
  2. Welche Ergebnisse brachten Experimente aus der UFO-Forschung?
  3. Was sagt die Wissenschaft?
  4. Grundlagen der Objekt und Formwahrnehmung

Die "IFO-Message"

Aus dem großen Pool an identifizierten Sichtungen lässt sich vieles für die UFO-Forschung und das Phänomen insgesamt ableiten. Nicht zuletzt zur Frage, wie Zeugen herkömmliche Objekte wahrnehmen und beschreiben und wie sich deren Beschreibung von den tatsächlichen Objekten unterscheidet. Das sagt auch viel über die Zuverlässigkeit des menschlichen Beobachters als vielfach Hauptinstrument einer UFO-Sichtung aus. Ersichtlich wird dies auch anhand von Zeichnungen, die die Zeugen anfertigen und die zum Teil erheblich von den tatsächlichen Objekten abweichen. An Beispielen aus identifizierten Fällen dienen eingangs zwei Fälle aus Deutschland. Einen habe ich selber mit untersucht, beim zweiten Fall (der GEP) war ich in der Falldiskussion anwesend. In beiden Fällen wichen die Zeugenzeichnungen erheblich von dem sehr wahrscheinlichen Auslöser ab.

Im selber untersuchten Fall hatte der Zeuge die gezeichnete glockenförmige Struktur, samt angedeuteter Fenster anhand eigener Interpretationen wiedergegeben, die er so nicht wahrgenommen hatte; es wurden nur Lichter gesehen. Nach einer anschließenden Vorortbefahrung konnten wir ähnlich wirkende Signallichter an Türmen und Masten (Hindernisbeleuchtung für den Luftverkehr) sehen, die wir als Auslöser der Sichtung ansahen und was auch der Zeuge als plausibel empfand (s. Abb. unten links). Eine besondere und eher seltene Situation ergab sich beim GEP-Fall, wo es neben der Zeichnung auch ein Video des Zeugen gab, das deutlich auf ein Flugzeug hinwies, was der Zeuge aber ablehnte. Er lieferte eine doch sehr interpretativ geprägte Zeichnung ab, die mit dem Video nicht viel gemein hatte, und das, obwohl er seine Zeichnung am eigenen Video kalibrieren konnte (s. Abb. unten rechts). Das zeigt, wie sehr eigene Überzeugungen in Zeichnungen (und Beschreibungen) einfließen und diese verfälschen können. 

Abb. 2: Glockenförmiges UFO mit Fenstern und Turm mit Hindernisbeleuchtung als Ursache (Beispielfoto, links); Zeugenvideo (Flugzeug) und die dazu angefertigte Zeichnung (rechts)

Weitere Beispiele stammen aus der Literatur. Relativ bekannt dürfte hierzu die Sammlung des US-amerikanischen UFO-Forschers Allan Hendry sein, der mehrere Sichtungen auf Werbeflugzeuge in der Nacht zurückführen konnte, wohingegen die Zeugenzeichnungen eher typische Untertassen zeigten (Hendry 1980). Tatsächlich waren nur einzelne Lichter zu sehen, die gezeichneten Formen und Strukturen wurden von den Zeugen reininterpretiert (s. Abb. 4 links). Ergänzend stellt Hendry fest, dass sich unter den Zeichnungen zu IFOs mehr Scheiben mit Kuppeln finden als bei den ungeklärten Fällen. Hendry stellt dazu die wichtige Frage, was dies über das Phänomen insgesamt aussagt.

Weitere bekannte Beispiele hat der Spanier Manuel Borraz gesammelt, mit Zeichnungen zu Sichtungen von Meteoren oder Reentries, die über mehrere Jahrzehnte beobachtet wurden (Borraz 1990). Die Beobachtungen wurde sowohl vom Boden aus gemacht, als auch aus Flugzeugen heraus, von Piloten. Trotz der üblichen Abweichungen in Details zeigen sich mehrheitlich auch Ähnlichkeiten. Neben einer Art Düsenantrieb, auch mit Feuerschweif, sind dies eine zigarrenförmige Struktur und Fensterreihen, die auf ein durchweg als künstliches Luftfahrzeug wahrgenommenes Phänomen hindeuten (s. Abb. 4 Mitte). Ein weiteres bekanntes Beispiel für ein fehlgedeutetes Reentry-Ereignis ist der Wiedereintritt der Zond IV-Sonde im Jahr 1968, das ebenso als UFO-Ereignis Schlagzeilen machte (s. Abb. rechts). Diese Beispiele zeigen, wie durch den optischen Eindruck vermeintlich künstliche Strukturen in ungeordnete (teils natürliche) Erscheinungen hineininterpretiert werden können.

Ebenfalls interessant ist eine von der italienischen CISU untersuchte Massensichtung eines Stratosphärenballons, der über eine längere Zeit am Himmel stand und zu Hunderten Sichtungsmeldungen führte und ganz unterschiedliche Zeugenzeichnungen hervorbrachte, die zum Teil erheblich voneinander abweichen, obwohl immer dasselbe Objekt beobachtet wurde (Grassino 1986, s. Abb. 4 rechts). Es muss aber berücksichtigt werden, dass solche Höhenballons häufig durch nachlassende Füllung eine unförmige Gestalt annehmen und das Sonnenlicht unterschiedlich wechselnd reflektieren, so dass die Erscheinungsweise auch variieren kann. Die CISU sieht solche (identifizierten) Massensichtungen als eine gute Forschungsgrundlage hinsichtlich der Genauigkeit von Zeugenaussagen, durch die Möglichkeit des Abgleichs des tatsächlich beobachteten Objektes mit der Wahrnehmung durch die Zeugen.

Zwischenfazit aus den IFOs:

  • Zeichnungen können erhebliche Abweichungen zu tatsächlichen Objekten aufweisen
  • Zeichnungen enthalten häufig subjektive Interpretationen hinsichtlich Formen und Details
  • Massensichtungen zeigen Streuung und Abweichungen in der Breite

 

Abb. 4: Auszüge aus den IFO-Beispielen: Hendry, Werbeflugzeuge (links); Borraz, Meteore/Reetries (Mitte); CISU, Stratosphärenballon (rechts)

Experimente in der UFO-Forschung

Experimente zum Thema Zeichnungen gab es, soweit ich es bislang recherchieren konnte, nicht viele, die zudem noch älteren Datums sind. Hierzulande bekannt sein dürfte das GEP-Wahrnehmungsexperiment aus dem Jahr 1988 mit einem Heißluftballon-Dia, das von Dr. Alexander Keul hinsichtlich mehrerer Parameter ausgewertet wurde, und das recht interessante Ergebnisse hervorbrachte (Peiniger 2009). Bezogen auf die Skizzenqualität ergab sich die typische Streuung in den Ergebnissen und insbesondere Abweichungen in Details (s. Abb. 7 links). Ansonsten ergab sich ein zwiespältiges Bild. Die meisten Skizzen waren entweder gut oder nichtssagend. Das Ergebnis entsprach weitgehend dem der verbalen Beschreibung. Keul stellt danach u.a. fest, dass max. die Hälfte der Zeichnungen zu gebrauchen ist, sich jedoch im Einzelfall nicht feststellen lässt, ob die jeweilige Zeichnung darunter fällt. Einen einfachen Zeichentest führte Keul bereits 1983 anlässlich einer UFO-Tagung durch, für den er ein existierendes UFO-Foto verwendete (Keul 1983). Bereits hier stellte er diverse Ungenauigkeiten und Abweichungen in den Details fest und diskutierte dazu die Anwendung von Rohrschachtests mit Zeugen. Der Soziologe Edgar Wunder demonstrierte einen zum GEP-Experiment analogen Zeichentest anlässlich der Pro7 Galileo Mystery-Sendung zum Thema UFOs, der zu analogen Ergebnissen führte. Wunder stellte dazu später u.a. fest, "dass Menschen, wenn sie kurzzeitig mit einem uneindeutigen Stimulus konfrontiert werden, im Nachhinein - hier schon wenige Minuten später - bei ihren Zeichnungen des 'Objekts' auch Dinge zeichnen, die dem Stimulus nicht wirklich entsprechen" (Wunder 2021).

Der amerikanische UFO-Forscher Richard Haines führte vier Zeichenexperimente durch, die er in einem seiner Bücher publizierte und die unterschiedliche Aspekte zum Inhalt haben (Haines 1979). So testete er Unterschiede zwischen UFO-Augenzeugen und Nicht-Augenzeugen, sowie Einflüsse verschiedener, vorhergehender Erfahrungen auf spätere Zeichnungen. Seine Experimente führten zu interessanten Ergebnissen mit teils noch offenen Fragen. So konnte er feststellen, dass Teilnehmer mit früheren UFO-Erfahrungen in einem Zeichentest im Schnitt weniger Details zeichneten, als die Kontrollgruppe, wofür er keine Erklärung anbieten konnte. Selber würde ich als These anbieten, dass die Teilnehmer ohne vorhergehende UFO-Erfahrungen sich bei ihren Zeichnungen vor allem an gängige Klischees und Vorstellungen von UFOs orientierten, was zu vermehrten Details führen könnte. Im zweiten Zeichentest zeichneten Personen, die vorher einen Diavortrag zum Thema UFOs bekamen, bei den anschließenden Dias mit unterschiedlichen Formen, diese im Schnitt immer etwas kleiner als die Kontrollgruppe (Gruppe II, s. Abb. 5). Zwar wurde der Unterschied nicht als signifikant angesehen, ist jedoch jedoch als deutlicher Trend zu erkennen. Auch für dieses Ergebnis konnte Haines keine Erklärung anbieten.

Abb 5: Beispiele aus den Ergebnissen des zweiten Zeichentests von Haines, Nachzeichnen von verschiedenen Formen

Bei der zeichnerischen Wiedergabe einer zuvor betrachteten Zeichnung fanden sich in den Ergebniszeichnungen neben einer zu kleinen Wiedergabe des Breiten-/Höhen-Verhältnis die typischen Fehler einer Reproduktion, darunter insbesondere die verzerrte Wiedergabe von Details (s. Abb. 6). Keine Unterschiede gab es zwischen den Gruppen bzw. bei Teilnehmern mit einem vorhergehenden Diavortrag zum Thema UFOs.

Abb. 6: Zeichentest, Nachzeichnen einer vorgegebenen UFO-Zeichnung; Zeichnung des Zeugen (links), drei der Teilnehmerskizzen (rechts)

Die zeichnerische Wiedergabe aufgrund zweier verbaler Beschreibungen zeigte eine sehr uneinheitliche Berücksichtigung von angegebenen Details und (teils erwartete) unterschiedliche Forminterpretation. Die Abb. 7 (rechts) zeigt das Ergebnis eines der beiden Zeichentests, wobei die rot markierte Skizze, die des Augenzeugen war. Dieser Test zeigt, wie unzuverlässig eigene zeichnerische Interpretationen rein auf textlichen Beschreibungen sein können. Interessant war in dem Zusammenhang auch, dass Teilnehmer mit höherer Untersuchungserfahrung zum Teil weniger genaue Zeichnungen ablieferten, was auch zu der offenen Frage nach dem Warum führte. Allerdings müssen die jeweiligen Testergebnisse als eher vorläufig angesehen werden, auch infolge der, insbesondere beim letzten Test, relativ geringen Teilnehmerzahl. Insofern böten sich hier Nachfolgeexperimente an. Manche der Tests ließen sich auch an Tagungen bzw. Workshops relativ einfach ohne großen Aufwand durchführen.

Zwischenfazit aus den Experimenten:

  • Abweichungen und Streuung in der Breite bei Betrachten desselben Reizes (Wenn mehrere dasselbe sehen, ist es nicht das Gleiche)
  • Nachzeichnen sowohl einer vorgegebenen Zeichnung als auch verbaler Beschreibungen, brachte teils stark abweichende Ergebnisse
  • Die Genauigkeit der visuellen Wahrnehmung muss infrage gestellt werden
  • Wenn schon Minuten nach der Betrachtung Abweichungen auftreten, welche Verzerrungen sind dann nach längerer Zeit zu erwarten?
  • Problem der Fallbeurteilung: Welche Qualität liegt im konkreten Fall vor?

 

Abb. 7: Ergebnisse des GEP-Experiments mit Heißluftballon-Dia (links); Ergebnisse aus einem Zeichentest von Haines, Nachzeichnen einer verbalen Beschreibung (rechts)

Studien aus der Wissenschaft

Meine Recherche förderte kaum wissenschaftliche Studien zu diesem Thema zu Tage und auch ein forensischer Psychologe bestätigte mir, dass es zu diesem Thema in der Forensik praktisch keine Experimente gibt, was aber auch nicht verwundert, da Zeugen in diesem Bereich kaum eigene Zeichnungen anfertigen. Recherchieren konnte ich zwei Studien, mit inhaltlich ähnlichen Aussagen hinsichtlich einer verbesserten Gedächtnisleistung bei Anfertigung von Zeichnungen anstatt schriftlicher Notizen oder einer verbalen Wiedergabe bei einem Interview. 

Die Universität Waterloo führte mehrere Experimente zum freien Erinnern durch, bei denen zwischen dem Anfertigen von Zeichnungen und schriftlichen Notizen, unmittelbar nach einem Reiz, verglichen wurde (Wammes, Meade & Fernandes 2016). Herausgefunden wurde dabei, dass Zeichnen das Gedächtnis stärker verbessert, als andere Techniken, und das bei einer Vielzahl an Aufgaben. Die zweite Studie, eine Metastudie im Zusammenhang mit der Durchführung von kognitiven Interviews, die als bevorzugte Interviewform bei Zeugenbefragungen gilt, stellte fest, dass wenn Zeugen eigene Skizzen zur freien Erinnerung nutzen, sie deutlich weniger Konfabulationen erzeugen, als in einem geführten Interview (Memon, Meissner & Fraser 2010). Die Annahme hierzu lautet, dass Zeugen bei eigenen Skizzen ihre eigenen Hinweis aus dem Gedächtnis nutzen, anstatt im Rahmen eines Interviews Hinweise seitens des Interviewers zu bekommen. Beide Studien stellen insofern durchaus auch positive Aspekte von Zeichnungen heraus. Als Schlussfolgerung aus diesen Studien kann empfohlen werden, dass Zeugen immer angehalten werden sollten, frühzeitig selber eine Zeichnung anzufertigen. Genau dies empfiehlt bspw. die US-amerikanische Gruppe API auf ihrer Seite, auch unter Hinweis auf die erstgenannte Studie.

Immer wieder ist auch das Anfertigen von Zeichnungen durch den Untersucher selber, auch in enger Abstimmung mit dem Zeugen, anzutreffen. Persönlich sehe ich dies eher kritisch, auch wenn es zu dieser spezifischen Thematik keine Studienlage gibt. Das Grundproblem liegt hier in der notwendigen Interaktion zwischen Zeuge und Untersucher, was zu einer Angleichung des Ergebnisses zwischen den Beteiligten führt. Die notwendige Interaktion dürfte zudem die daraus resultierende Zeichnung stark beeinflussen, wie ein forensischer Psychologe mir gegenüber äußerte (Sharps 2022). Richard Haines weist auf die Anforderung hin, den Zeugen zeichnen zu lassen, was er beobachtet hat. Insofern sollte man als Untersucher auf die Anfertigung eigener Zeichnungen möglichst verzichten. Eine ähnliche Situation stellt das Anfertigen von Phantombildern von Verdächtigen dar, wobei die jeweiligen Polizeizeichner dafür extra geschult sind. Zudem stellte eine Studie fest, dass selbst hier die Ergebnisse eine geringe Trefferquote zu den tatsächlichen Tätern aufweisen (Davies & Valentine 2007). Das Problem liegt hier im Speziellen in der Täteridentifikation. 

In jedem Fall fragwürdig ist das eigene Nachzeichnen von Zeugenzeichnungen, wie das manche Ufologen für Fallzusammenstellungen praktizieren, um so vermeintliche Ähnlichkeiten oder eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen, teils sogar im eigenen Nachkolorieren. Beobachtet wurden hier auch schon nachträgliche Verfälschungen, um künstlich Ähnlichkeiten mit anderen Vorfällen zu erzeugen. Mit einer wissenschaftlichen Arbeitsweise hat dies in jedem Falle nichts zu tun.

Prinzipiell sollte man auf das eigene Anfertigen von Zeichnungen möglichst verzichten, zumindest muss dies deutlich kenntlich gemacht werden. Zeugen sollten immer angehalten werden, eigene Zeichnungen anzufertigen.

Objekt- und Formwahrnehmung

Wenn es darum geht, was Zeugen zeichnen, steht auch immer die Frage der Wahrnehmung im Raum und wie wir Objekte und Formen wahrnehmen. Insbesondere in der Nacht, wenn wir mehrere Lichter beobachten, stehen die typischen Fragen im Raum, ist es ein Objekt oder sind es mehrere und welche Form hat es? Ein Klassiker sind hier Flugzeuge in der Nacht, die aufgrund der Anordnung der Lichter häufig nicht als solche erkannt und als UFO bzw. Dreieck geschildert werden (s. Beispiele in Abb. 8). Dies zeigt, dass schon Lichter alleine in einer ganz bestimmten Form wahrgenommen werden können, auch wenn die Form als solche nicht zu erkennen ist. Hinsichtlich der Beobachtung dreieckiger Flugobjekte ist die Sammlung auf der Seite der Gruppe Aerial Phenomena Investigations interessant, die neben diversen Zeichnungen auch einzelnes Fotomaterial dazu zeigt. Darauf sind jedoch immer nur nächtliche Lichter zu sehen, was als Indiz für eine vorwiegend wahrnehmungsbedingte Interpretation dreieckiger Flugkörper gewertet werden kann.

Abb. 8: Von Links: UFO-Sichtung, als Boeing 747 identifiziert; Standbild aus einem Video der Belgien-Welle; zwei Beispiele für Flugzeuge

Maßgeblich für die Formwahrnehmung sind die so genannten Gestaltgesetze der Wahrnehmung, von denen es insgesamt neun gibt und woraus ich fünf zitieren möchte (Bak 2020). Einerseits sind dies Gesetze, die bestimmen, wann wir mehrere Objekte als zusammengehörig empfinden und zu einem Objekt gruppieren:

  • Die Gleichartigkeit (z.B. Größe, Farbe, Helligkeit), die räumliche Nähe zueinander und das gemeinsame Schicksal, das bedeutet bspw., wenn sich Lichter gleichartig bewegen, in dieselbe Richtung.

Andererseits sind es Gesetze, die die bevorzugte Form bestimmen, die wir wahrnehmen:

  • Die so genannte gute Gestalt (Einfachheit der Form) und die Geschlossenheit der Form. Heißt im Ergebnis, dass wir einfache geschlossene Formen bevorzugen.

Insofern halte ich die Beschreibung eines Dreiecks oder auch eines Bumerangs bei einer nächtlichen Beobachtung für nicht außergewöhnlich, da in den meisten Fällen nächtlings Lichter wahrgenommen werden, die dann entsprechend ihrer Anordnung interpretiert werden. In manchen Fällen weist der Zeuge aber auch selber darauf hin, dass er eigentlich keine feste Form erkannt hat, sondern es nur eine Annahme ist. So erwähnt der Zeuge im Fall der Zeichnung aus der folgenden Abb. (links), dass er die Form aus der Anordnung der Lichter definierte.  Insofern ist es immer wichtig, genau zuzuhören, was der Zeuge beschreibt und wie er es beschreibt.

Abb. 9: Zeugenzeichnungen zu zwei Beobachtungen von Lichtern in der Nacht

Ein weiterer Punkt bei der Formwahrnehmung ist die Illusion der sogenannten Scheinkonturen bzw. Scheinkanten (Nieder 2002). Die besagt, dass man in der Überzeugung, eine bestimmte Form wahrzunehmen, dann auch entsprechende Konturen bzw. Kanten "sieht", wo tatsächlich keine sind oder zu sehen sind. Hier können auch persönliche Erfahrungen oder Erwartungen mit rein spielen, was als Priming-Effekt bekannt ist. Das hier Gesagte bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass derartige Fälle leichter oder eindeutiger aufzulösen sind, so ist bspw. die Sichtung zur Zeichnung auf der Abb. oben links aktuell noch ungeklärt und die gezeichnete dreieckige Form noch unklar. Es kann natürlich auch nicht ausgeschlossen werden, dass tatsächlich in besagten Fällen bspw. ein Dreieck am Himmel entlang flog, sofern dies im Wesentlichen jedoch auf die Beobachtung von Lichtern (in der Nacht) beruht, ohne weitere Indizien oder Bildmaterial, so lange sollte man bei der Interpretation von Formen prinzipiell zurückhaltend sein.

In den Raum stellen möchte ich die Frage, inwieweit die Aufforderung im Fragebogen, eine Form zu zeichnen, ggf. eine Erwartungshaltung beim Zeugen aufbauen kann, eine Form zu zeichnen, auch wenn er keine eindeutige erkannt hat, und so möglicherweise interpretative Angaben fördert.

Gesamtfazit

  • Zeichnungen sind keine Fotos und kein 1:1-Abbild der eigentlichen Beobachtung
  • IFOs und Experimente zeigen insgesamt eine eher mäßige Qualität der Zeichnungen (fehlerbehaftet, mit Abweichungen, vor allem in Details)
  • Das Erkennen von Formen unterliegt der subjektiven Wahrnehmung und Interpretation
  • Verbesserte Gedächtnis- und Erinnerungsleistung gegenüber schriftlichen Notizen und rein verbalen Beschreibungen durch früh angefertigte eigene Zeichnungen
  • Die Bedeutung von Zeichnungen ist für sich eher gering, keine zuverlässige Ableitung auf herkömmliche Objekte möglich

Empfehlungen für die eigene Arbeit

  • Anwendung sorgfältiger Untersuchungsmethoden und das Bemühen um möglichst genaue Zeugenzeichnungen
  • Erhebung von Berichten und Zeichnungen zum gegenseitigen Abgleich
  • Frühzeitige Anfertigung von Zeichnungen durch den Zeugen selber
  • Zurückhaltende Beurteilung von beschriebenen Formen und Details, vor allem in der Nacht; Detailreichtum kritisch hinterfragen, insbesondere nach längerer Zeit
  • Zeichnungen im Kontext anderer Angaben und Indizien bewerten

Abschließend soll noch angemerkt werden, dass gerade bei längerer Sichtungsdauer eine Zeichnung immer nur ein Ausschnitt aus dem Gesamtablauf zu einem bestimmten Zeitpunkt ist. Das bedeutet, dass ein beobachtetes Objekt davor oder danach ggf. anders ausgesehen haben kann. Hier sollte auch immer nachgefragt werden, wie sich ein Objekt über die Sichtungsdauer dargestellt hat.

Festzustellen wäre noch, dass es hier noch ein großes Potential für Projekte und weitere Experimente gibt, in dem sich auch die private UFO-Forschung betätigen kann.

Referenzen
– API/Aerial Phenomena Investigations. The Elusive Black Triangle. [Online] https://aerial-phenomenon.org/investigator-resources/photo/the-elusive-black-triangle/
– Bak, P. M. (2020). Wahrnehmung, Gedächtnis, Sprache, Denken. Berlin: Springer, S. 36-37
– Borraz, M. (1990). Meteoros con ventanillas [Meteore mit Fenstern]. Cuadernos de Ufologia, 2(9-10), S. 15-24 https://www.academia.edu/42949504/Meteoros_con_ventanillas
– Davies, G. M. & T. Valentine (2007). Facial Composites: Forensic Utility and Psychological Research. In: R. C. Lindsay et al. (Hrsg.). Handbook of Eyewitness Psychology. Erlbaum, S. 59–86. Zitiert in: M. Pfundmair (2020). Psychologie bei Gericht. Berlin: Springer, S. 105
– Grassino, G. P. (1986). ’Flap’ in Piemonte. UFO Rivista di Informazione Ufologica, 1(2), S. 17-22 https://files.afu.se/Downloads/Magazines/Italy/UFO%20Rivista%20di%20Informazione%20Ufologica%20(CISU)/UFO%20Rivista%20di%20Informazione%20Ufologica%20-%20No%2002.pdf
– Haines, R. F. (1979). What Do UFO Drawings by Alleged Eyewitnesses and Non-Eyewitnesses Have in Common? In: R. F. Haines (Hrsg.). UFO Phenomena and the Behavioral Scientist. Metuchen: ScarecrowPress, S. 358- 395 https://www.nicap.org/books/Behavioral_Scientist/UFO_Phenomena_and_Behavioral_Scientist.pdf
– Hendry, A. (1980). The UFO Handbook. Garden City, New York: Doubleday & Co., S. 91-92
– Keul, A. G. (1983). What could be this? In: lnternational UPIAR Colloquium on Human Sciences and UFO Phenomena (Proceedings), S. 15-20
– Memon, A., C. A. Meissner & J. Fraser (2010). The Cognitive Interview: A Meta-Analytic Review and Study Space Analysis of the past 25 Years. Psychology, Public Policy, and Law, 16(4), S. 340-372. Zitiert in Wikipedia (2021). Cognitive Interview [Online] https://en.wikipedia.org/wiki/Cognitive_interview#Adults_and_cognitive_interviews
– Nieder, A. (2002). Die Wahrnehmung von Scheinkonturen - Wie sich das Gehirn Illusionen macht. e-Neuroforum, 8(3), S. 210-217 https://doi.org/10.1515/nf-2002-0302, https://homepages.uni-tuebingen.de/andreas.nieder/Nieder(2002)Neuroforum.pdf
– Peiniger, H-W. (2009). Wahrnehmungspsychologische Aspekte bei UFO-Sichtungen. JUFOF, 3-2009, S. 81-86 https://files.afu.se/Downloads/Magazines/Germany/JUFOF%20(GEP)/JUFOF%20-%20Issue%20183%20-%202009%2003.pdf
– Sharps, M. J. (2022). E-Mail an den Autor. [Persönliche Korrespondenz, 11.05.2022].
– Wammes J. D., M. E. Meade & M. A. Fernandes (2016). The Drawing Effect: Evidence for Reliable and Robust Memory Benefits in free Recall. Quarterly Journal of Experimental Psychology. 69(9), S. 1752-1776 https://doi.org/10.1080%2F17470218.2015.1094494
– Wunder, E. (2021). E-Mail an den Autor. [Persönliche Korrespondenz, 18.10.2021].

 

Hier gibt's den dazugehörigen Vortrag von mir auf der GEP-Tagung am 05. November 2022 in Lüdenscheid

 

Überarbeitete und erweiterte Präsentation zum Thema (Download auch hier)

 

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